TAG 11 Wenn ich nach so einer Nacht zu Hause anschließend einen harten Arbeitstag vor mir hätte, wäre ich definitiv eine potentielle Gefahr für alle, die mir begegnen würden, obwohl ich eigentlich ein sehr friedlicher Geselle bin.

Es war tatsächlich so, dass wir uns unser Tagesziel, den Plage Blanche, hart erarbeiten mußten. Und und es ging noch weiter...Aber beim Kaffee wussten wir dass noch nicht.

 

Guelmin war nach einer Stunde erreicht. Die Stadt war laut und schmutzig, der Himmel dunkel und der Wind immer noch präsent. Wir ließen uns in einem Cafe nieder. Die Plastikstühle waren alle zum großen Fernsehgerät gerichtet. Es liefen Nachrichten, die brutale Bilder aus Schwarzafrika zeigten, Uniformierte schlugen auf am Boden liegende Menschen ein. Es waren Bilder aus Burkina Faso. Die Bilder wechselten sich ab mit Nachrichten, in denen Panzer und anderes militärisches Gerät in Kriegssituationen gezeigt wurde, irgendwo im arabischen Kulturkreis. Die gleichen Bilder hatten wir bereits gestern und auch vorgestern in anderen Cafe's gesehen.

 

Während mein Reisegefährte Geld holte und einen Minieinkauf erledigte lernte ich Mohammed ohne Nummer kennen. Ein kleiner, alter Mann hielt mit seiner Mobilette neben mir an und fragte mich auf deutsch, ob ich wir nicht die Moppeds tauschen wollten...

Mohammed ohne Nummer (hierauf legte er großen Wert!) hatte 20 Jahre in Deutschland gelebt, ganz in der Nähe meines momentanen Wohnortes. Nun war er Rentner und zog es vor, wieder in der Heimat zu leben.

Als wir ca. eine Stunde später wieder auf den Moppeds saßen waren wir um einige Insiderinformationen und eine Stange Zigaretten reicher. Die hatte uns Mohammed ohne Nummer besorgt. Am Plage Blanche würden wir die undedingt brauchen, so erklärte er uns, um mit den Fischern gegen frischen Fisch zu tauschen. Mohammed erklärte uns u.a. noch, wie man Autos nach Schwarzafrika verkauft, an welchen Tankstellen es den Sprit günstiger gibt und vieles mehr. Er erklärte uns, dass man es in und ab Guelmin nach dem Mottto "leben und leben lassen" angehen würde. Na jedenfalls hatte ich als absoluter Nichtraucher auf einem Rauchermopped nun auch noch Zigaretten im Koffer. Und ich kann an dieser Stelle schon mal verraten, dass wir am Plage Blanche keinen Fischer getroffen haben, war ja auch irgendwie klar. Leben und leben lassen....

 

Etwa 30 Kilometer vor Tantan wählten wir eine Piste Richtung Westen, den Einstieg hatte ich mir vorher im Garmin gewählt, die Piste führte lt. Karte direkt zum Atlantik.

Die Vorfreude war groß, der Körper schüttete Glückshormone im Überfluss aus, die Piste war ein Traum, zuerst.

Sie führte entlang eines großen Queds, das wir ein oder zweimal auch durchquerten, Wir beschlossen aber, es oberhalb des Qued zu versuchen, da uns die Fahrt durchs Qued zunächst nicht machbar erschien und wir auch nicht sicher waren, ob es nicht doch im Unterlauf Wasser führte.

 

Die Piste verzweigte sich, die Spuren wurden weniger, auch diese verzweigten sich, bis es keine Piste und keine Spuren mehr gab. Nur noch Sand, Weichsand und noch weicherer Sand. Und jede Menge niedriges Buschwerk. Es waren anstrengende 40  Kilometer, die Glückshormone waren irgendwann aufgebraucht. Der Tag war zu anstrengend gewesen und die Nacht davor zu wenig erholsam. Ich fand die Sache nicht lustig und konnte keinen Spaß an der Sandfahrt finden. Umso größer war die Freude, als wir wieder auf so etwas wie eine Geröllpiste stießen und wir wenig später den Ozean sehen konnten. Wir hatten unser Ziel erreicht und standen an der Steilküste des Plage Blanche, der breite Strand etwa 50 Meter unter uns, sowohl nach Norden wie auch nach Süden verschwand er ohne Hinderniss am Horizont, der Ozean sowieso.

 

Hätte mir in dieser Situation, als ich da stand und die Gedanken schweifen ließ, jemand gesagt, ich müsse denselben Weg zurückfahren, und mehr noch, ich hätte heute noch 200 Kilometer vor mir, ich hätte ihn wohl ausgelacht.

 

Wir standen also oben am Felsrand und waren mit Mühe hierher gekommen. Ich hatte eine Piste in Erinnerung, die von hier nach Sidi Ifni führte. Herunter zum Strand kamen wir hier nicht, und eine Piste hatten wir ebenfalls auf dem Weg hierher nicht sehen können. Die hätte zudem durch das Qued führen müssen. Und so nahm der Tag seinen Lauf....

 

Der Weg zurück war nicht ganz so schwierig, da wir nun der Piste folgten. Dann trafen wir auf einen kleinen Konvoi Allradler und einer niegelnagelneuen Honda Afrika Twin. Ein kurzer Austausch mit den spanischen Fahrern setzte neue Ernergien bei uns frei, da diese auf der Piste nach Sidi Ifni seien, erklärten sie uns.

Wir folgten Ihnen also eine Weile und ich war sofort begeistert von der Art, wie der Fahrer seine 4 Wochen neue Afrika Twin durch das Gelände bewegte. Zu Hause würde ich mir dieses Gerät wohl einmal näher ansehen....

 

Es ging hinunter ins Qued und die Fahrt war schön und anspruchsvoll. Wir machten irgendwann eine Pause, um uns von dem Konvoi zu trennen. Es war das Qued, welches wir eigentlich nicht fahren wollten. Und es wurde tatsächlich zunehmend feuchter. Viele schöne Wasserdurchfahrten später wurde es sandiger. Schon eine Weile dachte ich, dass dies kein direkter Weg nach Sidi Ifni sein könne, die Richtung paße nicht.

Nach zwei Stunden waren wir angekommen: ein Blick nach rechts oben ließ uns das alte französische Fort bzw. der Ruine davon erkennen, an dem wir ein paar Stunden vorher zum Plage Blanche vorbei gekommen waren. Vor uns lag weicher und tiefer Sand, der uns etwa einen Kilometer vom festen Strand trennte. Die KTM ließ sich jetzt recht gut durch den Sand bewegen, da meine Motivation, zum festen Sandstrand zu kommen recht hoch war. Doch Motitivation allein reichte nicht, wie an den Anstrengungen meines Reisegefährten zu sehen war. Die GS ließ sich immer wieder in den Sand fallen und grub sich verspielt mit dem Hinterreifen ein.

Dies sind die Momente, in denen ich weiß, warum ich mich für die kleine und relativ leichte Adventure entschieden habe.

 

Eine weitere gefühlte halbe Stunde später hatten wir festen Sandstrand unter den Rädern, wir standen direkt an der Wassergrenze, und das Glück meinte es gut mit uns: denn es war Ebbe. Die folgenden 50 Kilometer Strandfahrt belohnten uns für alle Anstrengungen, ein unglaubliches Gefühl. Es ging barrierefrei Richtung Sidi Ifni!

 

Einen Dämpfer erlitt unsere grenzenlose Euphorie dann, als die Fahrt an einer Klippe endete, die ihre Füße bis in den Atlantik streckte. Wir fuhren also 10 Kilometer zurück zu einer Stelle, die aussah wie eine Flußmündung. Hier suchten wir einen "Ausstieg". Es standen ein paar Fischerhütten herum, aber es waren keine Menschen zu sehen. Dennoch erschien bald ein Berber, der uns helfen wollte.

 

Es war schon lange dunkel, als wir endlich auf der Straße ankamen, die uns nun leider zurück nach Guelmin führte, da es keinen andere Straßenverbindung nach Sidi Ifni gab. Vorher irrten wir in einem Wirrwar verschiedener Reifenspuren umher. Denken konnten wir nicht mehr, also folgten wir immer wieder verschiedenen Spuren, die irgendwann im Nirwana endeten. Als wir in der Dunkelheit plötzlich eine Stimme hörten erschien kurz darauf unser hilfsbereiter Berber. Der wohnte mit seiner Familie auf einer Anhöhe und hatte sich wohl schon eine Weile angesehen, wir ein paar Scheinwerfer in der Dunkelheit herumirrten. Dieser Mensch war unglaublich: im Dauerlauf rannte er uns nun vorraus, um uns auf die richtige Piste zu bringen. Sicherlich eine viertel Stunde ging das so bis wir an eine Stelle kamen, wo er uns verließ und in die Richtung zeigte, die wir weiterfahren sollten.

Aber bereits nach kurzer Zeit hatten wir uns in der Dunkelheit wieder verfahren, zuviele Pisten kreuzten sich hier. Und plötzlich war er wieder da, unser Berber-Engel. Er leuchtete mit einer Tachenlampe, da wir ganz in der Nähe seiner Behausung angelangt waren. So lernten wir noch kurz seine Frau und einen Sohn kennen, der ein wenig englisch sprach. Noch einmal erklärte er uns, welche Pistenabzweigung wir nehmen sollten, um dann zur Straße zu kommen. Als ich ihm zum Dank eine der Zigarettenschachteln geben möchte lehnte er vehement ab, für ihn sei dies eine Sache der Ehre, gab er uns zu verstehen.

Diesmal schafften wir es. Das wir beide ziemlich müde und auch ein wenig demoralisiert waren, brauche ich wohl nicht weiter zu erwähnen....

Eine weitere Stunde später waren wir wieder da, wo wir am Vormittag gestartet waren. Nun war es Nacht. Es gelang uns dennoch, ein Hotel zu finden. Zum Essen war es zu spät, das Restaurant hatte gerade geschlossen.