TAG 8 Wie weit wir heute kommen würden, hatten wir nicht geplant. Unser Ziel war es, eine sehr schöne, von der letzten Reise bekannte, landschaftlich reizvolle und kurvige Verbindungsstraße Richtung Dades- und Todraschlucht zu fahren. Den Erg Chebbi wollten wir uns ersparen. Dieser ist inzwischen touristisch völlig überlaufen. Entsprechend reihen sich Auberges und Campingplätze entlang der Dünen, wirklich jeder kommt dort inzwischen hin, leider auch die "weiße Flotte" (Hymer etc.) auf einer asphaltierten Straße, die fast bis an die Dünen führt. Wir hatten beide den Erg schon mehrfach gesehen und befahren. Ich selber bin dort schon gewandert und auf die hohe Düne gelaufen, bin mit Motorrad und Allradwomo in den Erg gefahren. Sogar einen Kamelritt zur hohen Düne hatte ich gemacht. Irgendwann wird es halt langweilig. Sehr entmutigend empfand ich es regelmäßig, wenn ich mit viel Anstrengung einige der Dünen geschafft hatte, ohne zu stürzen, oben angekommen ein Poserfoto machte und wie aus dem Nichts ein Berber auf seiner kleinen Mobilette den Dünenkamm entlang auf mich zu gefahren kam. Natürlich immer freundlich und mit dem Daumen hoch mir Respekt zollend, dass ich dies ebenfalls mit meinem Mopped geschafft hatte.  Wie auch immer, dieses mal ersparten wir uns diese entwürdigende Prozedur....

Stattdessen fuhren wir durch wunderschöne Hochgebirgslandschaften, um wenig später mit entsprechenden Temperaturunterschieden wieder traumhafte Kurven talwärts zu brennen. Auch unsere Passstraße von der letzten Reise fuhren wir, dieses mal in die andere Richtung und somit gänzlich neu. Es ging durch ein Flußtal, dass ich deutlich grüner in Erinnerung hatte. Im Herbst ist hier alles grün, was einen schönen Kontrast zur kargen Bergflankierung bildet. Anfang April ist es noch zu früh im Jahr, nur wenige Bauern waren auf den Feldern zu sehen, die noch kaum Pflanzenwuchs zeigten.

 

In einem Flußbett wurde ich peinlichst daran erinnert, dass in anderen Ländern die Menschen andere existentielle Notwendigkeiten haben, als wir Mitteleuropäer. Wir fuhren dieses Flußbett entlang, vorbei an einer kleinen Gruppe schwarzafrikanischer Frauen, die dort ihre Wäsche wuschen. Ich entdeckte die Cascaden zuerst und dachte, dass es sich auf einem Foto sicherlich sehr gut machte, wenn ich auf dem Mopped direkt dafor stehe. Tja, ich grub mich also mit dem Hinterrad der KTM versehentlich im weichen Kiesbett ein. Klar, ich hätte den Untergrund vorher prüfen können, aber wahrscheinlich hätte ich es trotzdem gewagt. Die KTM so eingegraben erwies sich außerdem als außergewöhnlich fotogen. Ca. eine Minute dauerte es, bis der durch mich aufgewühlte Kies und Schlamm den Fluss abwärts die Stelle der Frauen erreichte, die laut fluchend hektisch ihre Wäsche aus dem Wasser holten. Da wir keinen weiteren Kontakt zu dieser aufgemischten kleinen Bevölkerungsgruppe haben wollten, befreiten wir gemeinsam die KTM und suchten das Weite. Ein aufrichtiges Sorry an dieser Stelle, auch wenn ihr es nicht lest. Zukünftig werde ich beim Spaß haben noch aufmerksamer sein, denn niemand soll darunter leiden müssen, dass ich Spaß habe.

 

In Tamtattouchte angekommen tranken wir eine Kaffee und lernten ein Pärchen kennen, das zusammen auf einer Honda XL 185 durch Marokko reiste. Und dies schon seit Jahren. Das treue Gefährt hatte allerdings einen Stehplatz in Marokko. Trotzdem schaute es abenteurlich aus, als die beiden sich das zierliche Motorrad auf der Sitzbank teilten.

Diese beiden waren der Auslöser dafür, dass wir beschlossen, die Gebirgspiste zu nehmen, die Todra und Dades verbindet. Ich hatte diese schon mit dem Allrad gefahren und hatte sie sehr anspruchsvoll in Erinnerung. Laut der beiden sollte sie inzwischen zu großen Teilen terrassiert sein und selbst auf der 185er zu zweit zu nehmen. Nun ihr beiden lieben Leute aus Giessen, falls ihr dies lesen solltet: dies war das Schlimmste, was ich mir seit langem angetan habe. Und da spreche ich auch für meinen Reisegefährten, den es im Flussbett hingeschmissen hat. Entweder, wir habe den terrassierten Teil verpaßt, oder ihr habt uns einen Bären aufgebunden. Da ich an das Gute im Menschen glaube vermute ich fast Ersteres....

Der Anstieg zur Passhöhe auf 2800 Meter war noch sehr gut zu fahren und erschien mir tatsächlich eingeebnet zu sein. Oben angekommen kam dann urplötzlich ein Gewitter auf. Weil wir uns aufs Fahren konzentrierten hatten wir die warnenden dunklen Wolken wohl nicht bemerkt. Als es donnerte und einmal blitzte, fand ich das dort oben nicht lustig. Nun, wir schafften es mit viel Mühe trocken herunter. Aber die Abfahrt war eine Tortour: übelste Geröllpiste durch ein Gebirgsflussbett, die dunklen Wolken im Nacken incl. des Donnerns und einiger weniger Regentropfen. Ich war wirklich am Ende meiner Kräfte und blieb mehrfach stehen, weil ich einfach keine Lust mehr hatte. Ich fragte mich, wie sich meine Reisegefährte auf der schweren GS wohl fühlen mußte und bewunderte ihn dafür, dass er das Gerät bis auf einen Sturz, der ihm den linken Seitenkoffer samt Halterung abriss, dort hinunter manövrierte.

Es brauchte einen Moment bis ich einen stabilen Stand für die KTM gefunden hatte, ehe ich meinem Reisegefährten zu Hilfe kommen konnte. Dieser stand aber bereits neben seiner GS, sodass ich die Zeit hatte. Nachdem der Eisenhaufen aufgerichtet war, konnten wir den mit Halter abgerissenen linken Seitenkoffer sehen. Zwangspause. Auch das Heck war krumm. Mit dem wenigen Material, dass wir dabei hatten, konnten wir den Koffer so befestigen, dass er die restliche Abfahrt halten sollte.

 

Schon recht weit unten atmete ich mehrmals auf, weil sich die Schlucht visuell öffnete und die Piste einfacher wurde. Wenigsten dreimal wurde sie dann wieder nahezu unbefahrbar für die Moppeds. Als wir es dann eigentlich schon geschafft hatten, entschieden wir uns wohl für den falschen Ausstieg. Das Garmin zeigte mir, dass die Straße Luftlinie keine drei Kilometer entfernt war. Wir wählten die rechte Piste, was sich als fataler Fehler ausweisen sollte. Wir landeten in einem wasserführenden und morastigem Bachlauf, mit glitschigen Felsen und Lehmlöchern. Ich habe sicher unzählige Kröten plattgefahren, sorry dafür. Ich war froh, mich aufrecht halten zu können und hatte für derlei Rücksichtsnahme keinerlei Ressourcen.

In dem Ort, den wir als erstes erreichten, musste es geregnet haben. Die Piste war lehmig nass. Das erste Hotel hatte kein freies Zimmer. Es wurde dunkel, ohne dass wir eine Unterkunft fanden. Ich vermute, dass nicht viele Motorradfahrer die erste Hälfte der Dadesschlucht im Dunkeln herunter gefahren sind. Mein Kumpel leuchtete die Piste leidlich mit seinen Flutlichtern aus. Zum ersten mal war ich froh über diese Lichtkanonen, die mich ansonsten immer in meinen Spiegeln blendeten, wenn er hinter mir fuhr. Gut, dass ich ihm nicht entgegen kommen mußte. Was solls, viel hilft viel, gerade auf dem Mopped ist das besser, als übersehen zu werden.

Gegen 22:00 Uhr fanden wir ein kleines, sehr feines Hotel. Wir bekamen das letzte Zimmer, und ein Essen wartete ebenfalls auf uns. Wir waren erschöpft, aber die Stimmung war gut. Im Speiseraum hatte eine Gruppe junger Männer, ich vermutete Soldaten in Zivil, eine Menge Spaß. Selten habe ich Araber so ausgelassen lachen sehen und hören.

 

Meine Matratze war hart wie ein Toastbrot. Aber ein langer und ereignisreicher Tag ließ mich das schnell nicht mehr merken....